Glossar

Besetzte Häuser/Hausbesetzungen

Die Idee von Hausbesetzungen geht bis auf das Mittelalter zurück, als es beispielsweise in Großbritannien das sogenannte Squatters Right gab, das die willkürliche Zwangsräumung mittelloser Bäuer*innen durch Großgrundbesitzer verhindern sollte. Ein Haus zu besetzen war damals gleichbedeutend zum heutigen »ein Haus besitzen«. In verschiedenen europäischen Staaten werden Hausbesetzungen bis heute geduldet, so zum Beispiel in Spanien oder den Niederlanden, wo sich Hausbesetzende auf das geltende Gesetz berufen, welches das Recht jedes Menschen auf würdigen Wohnraum festlegt.

Die heutige Hausbesetzungsszene hat ihre Wurzeln allerdings in den 1960er & 70erJahren und entstand gleichermaßen aus linksgerichteten politischen Motiven wie aus materieller Not junger Menschen. Zahlreiche Städte in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Belgien, Frankreich, Spanien und den Niederlanden hatten ganze leerstehende Straßenzüge mit zumeist renovierungsbedürftigen Altbauten, während die Mietpreise überall sonst, gerade für alleinstehende oder niedrigverdienende junge Menschen, viel zu hoch waren. Zudem herrschte vielerorts – als ein Paradebeispiel hierfür gilt Köln – ein gewaltiges Obdachlosigkeitsproblem. Etwa zeitgleich entstanden daher in den Niederlanden die Kraaker-Bewegung und in den deutschsprachigen Ländern die Idee der »Instandbesetzungen«: renovierungsbedürftige Leerstände wurden besetzt, um wieder bewohnbar gemacht zu werden. In diesen Besetzungen herrschte ein reges politisches, künstlerisches und soziales Leben. Oft befanden oder befinden sie sich in größeren Gebäudekomplexen, die verschiedene gemeinschaftliche Formen der Nutzung umfassen: Theater, Kinos, Küchen für Alle (also solidarische Versorgung mit warmem Essen), Gemeinschaftsräume, Ausstellungen oder Ateliers und Wohnraum für Menschen.

Die Eigentümer*innen der Gebäude waren teilweise sogar einverstanden mit diesen lebhaften Umwidmungen der vorigen Leerstände und es konnten neue Nutzungsverträge geschlossen werden.

Dem gegenüber gehen besonders die deutschen Behörden mit Nachdruck gegen Hausbesetzungen vor – ungeachtet der Verhältnisse, in denen die Häuser leer stehen. So wird auch in Städten mit überhöhten Mieten und hoher Wohnungslosigkeit die Nutzung von leer stehenden Gebäuden verhindert.

 

Mietendeckel

Der Mietendeckel war ein Landesgesetz des Stadtstaates Berlin. Es galt ab dem 18.06.2019, wurde aber am 25.03.2021 vom Bundesverfassungsgericht wieder gekippt, da das Land Berlin keine Gesetzgebungskompetenz hatte. Die föderalistische Ordnung Deutschlands regelt, dass Ressorts dann Länder- oder Bundsache sind, sobald auf der jeweiligen Ebene ein erstes Gesetz dazu verabschiedet wurde – was mit der Mietpreisbremse 2015 bereits auf Bundesebene geschehen ist. Der Mietendeckel beinhaltete Folgendes:

  • Mietobergrenze (abhängig von Baualtersklasse, Ausstattung und Wohnlage)
  • Mietenstopp (für 5 Jahre keine Mieterhöhungen, weder wegen Mietspiegel noch wegen Modernisierung)
  • Mietsenkung (lag die Miete 20% über der Mietobergrenze, so konnte die Miete gesenkt werden)

Auch hier wurde ein Schlupfloch genutzt: Manche Vermieter*innen klagten Mieterhöhungen trotz Mietendeckel ein, was teilweise tatsächlich stattgegeben wurde. Die Gerichte verboten allerdings das Einfordern der Miete aufgrund des Mietendeckels, weshalb es zu erheblichen Nachforderungen dieser sogenannten »Schattenmieten« nach den 5 Jahren kommen sollte, und es bereits nach dem Kippen des Gesetz auch kam.

Wie bei der Mietpreisbremse wurden auch beim Mietendeckel Neubauten ausgenommen.

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Mietpreisbremse

Die Mietpreisbremse ist ein 2015 verabschiedetes Bundesgesetz.

Nachdem Mieten exorbitant gestiegen waren, wurde durch dieses Gesetz festgelegt, dass Vermieter*innen keine Miete verlangen dürfen, die mehr als 10% über der örtlichen Vergleichsmiete, also dem Mietspiegel, liegen.

Auch wenn das Gesetz vor Gericht meistens positiv für die Mieter*innen ausfällt, finden sich einige Schlupflöcher, die gewinnorientierten Immobilienunternehmen zu Gute kommen:

  • Die Mietpreisbremse gilt nur in »Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt«, welche die Bundesländer festlegen
  • Die Mietpreisbremse gilt nur für Verträge, die nach dem 01.06.2015 abgeschlossen wurden. Mieten für Verträge, welche kurz davor abgeschlossen wurden, wurden natürlich von den Vermieter*innen erhöht, sind aber von der Mietpreisbremse ausgenommen.
  • Neubauten ab Oktober 2014 sind von der Mietpreisbremse ausgenommen, ebenso modernisierte Wohnungen, die vergleichbar sind.
  • Die Mieter*innen müssen die Mietpreisbremse selber geltend machen und riskieren damit ein schlechtes Verhältnis zu ihren Vermieter*innen. Viele Menschen trauen sich nicht, die Mietpreisbremse durchzusetzen, da ihre Wohnsituation von den Vermieter*innen abhängig ist, wodurch der Mietspiegel hoch bleibt.

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Mietspiegel

In den Mietspiegel, welcher die Grundlage für die örtlich übliche Vergleichsmiete bei der Mietpreisbremse bildet, fließen folgende Faktoren mit ein:

  • Art (Baujahr, Neubau/Altbau?)
  • Größe (Wohnfläche in qm)
  • Ausstattung (Qualität der Ausstattuung, z.B. Parkett, Heizung, Toilette…)
  • Beschaffenheit (Modernisiert? Renoviert? Funktionstüchtig? Energieverbrauch?)
  • Lage (Stadtbezirk, Verkehrsanbindung, Infrastruktur, Bebauungsdichte, Lärm, Vegetation…)

Berücksichtigt werden dabei nur Verträge, die innerhalb der letzten sechs Jahre neu abgeschlossen wurden oder bei denen eine Mietänderung geschehen ist – angesichts der seit Jahren steigenden Mietpreise werden also vornehmlich zu teure Wohnungen berücksichtigt.

Außerdem können Vermieter*innen durch sogenannte Modernisierungen, die meistens gar nicht nötig sind oder von den Mieter*innen gar nicht gewünscht, die Miete erhöhen, indem sie die Wohnung »aufwerten«.

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Patrizia AG

Die Patrizia AG ist ein Unternehmen mit Hauptsitz in Augsburg, das mit dem An- und Verkauf sowie der »Wertoptimierung« von Immobilien Gewinn erwirtschaftet. Patrizia besitzt derzeit ein Immobilienvermögen von über 57 Millarden Euro und betreibt Geschäft auf vier Kontinenten.

Die Selbstdarstellung des Unternehmens beruht auf einigen Vorzeigebeispielen von »sozialen« Investments, wohltätigen Projekten des Unternehmens, »Entwicklungshilfe« – all das entpuppt sich angesichts der sonstigen Unternehmenspolitik aber sehr schnell als Farce:
In den letzten Jahren ist Patrizia immer wieder durch Wohnenden und Mieter*innen schadendes Handeln in die Kritik geraten, etwa durch Privatisierungen, massive Mietpreiserhöhungen, ungerechtfertigte Renovierungskosten und Gentrifizierung im Allgemeinen.
Patrizias Interessen sind die reicher Investor*innen. Diese werden niemals mit den Bedürfnissen von Mieter*innen oder weniger privilegierten Immobiliennutzer*innen vereinbar sein, selbst wenn Patrizia sich noch so wohltätig präsentiert. Als »einer der größten globalen Anbieter von Immobilien« trägt die Patrizia AG auch eine der größten Verantwortungen für Ungerechtigkeiten im Wohnsektor und damit auch für steigende soziale Ungerechtigkeiten im Allgemeinen.

Fun Fact: Das Patrizia Headquarter befindet sich in der Fuggerstraße 26 in 86150 Augsburg, fußläufig in 2 Minuten vom Königsplatz zu erreichen.

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Sozialer Wohnungsbau/Sozialwohnungen

Sozialwohnungen sind in Deutschland von öffentlicher Hand geförderte Bauten, die nur an einkommensschwache Menschen vermietet werden dürfen. Diese benötigen einen sogenannten Wohnberechtigungsschein, um die Wohnung mieten zu können, welcher von, in jedem Bundesland spezifischen, Einkommensgrenzen abhängig gemacht wird. Die Mieten für Sozialwohnungen sind gesetzlich als sogenannte Kosten- oder Bewilligungsmieten geregelt. Das heisst, dass die Miete lediglich der für den Bau der Wohnung aufgewendeten Zinsen, sowie den laufenden Bewirtschaftungskosten entsprechen darf.

Bis zu einer Grundgesetzesänderung im Jahr 2019 lag die Kompetenz des sozialen Wohnungsbaus ausschließlich bei den Ländern – seither investiert auch der Bund mehrere Milliarden Euro in Sozialwohnungen. Dennoch sinken sowohl der Bestand, als auch die Neubauquote von Sozialwohnungen – pro Tag gehen 72 Sozialwohnungen verloren. Und das zu Zeiten, in denen die Mieten explodieren: in Deutschlands Großstädten zahlt knapp die Hälfte aller Haushalte mehr als 30% des Einkommens – das gilt als die maximale Obergrenze für bezahlbaren Wohnraum – für ihre Wohnung.

Grund dafür ist die sogenannte Sozialbindung und gleichzeitig zu wenig Neubau von Sozialwohnungen. Sozialwohnungen werden nicht direkt von Bund oder Ländern, sondern von Genossenschaften, Wohnbauunternehmen oder privat gebaut. Diese verpflichten sich, die Wohnungen an einkommensschwache Menschen günstig zu vermieten, und bekommen dafür Zugang zu günstigen Krediten und Förderungen. Diese Sozialbindung endet allerdings 10 Jahre nach der Rückzahlung der öffentlichen Fördermittel und Kredite. Danach dürfen Vermieter*innen die Miete auf einen regulären Marktpreis erhöhen, und die Wohnung landet wieder auf dem freien Markt.

Wir zitieren von der Website immobilien-erfahrung.de:

»Wirklich interessant als Geldanlage, sind Immobilien mit Sozialbindung für Kapitalanleger also nur, wenn sich die geringe Rendite in einem günstigen Kaufpreis auswirkt und Ihr Ziel auf steuerfreiem Wertzuwachs liegt«.

Diese ekelhafte und menschenverachtende Anschauung zeigt einmal mehr, dass Wohnraum weder Ware noch Spekulationsobjekt sein darf. Wohnen ist ein Grundrecht, muss bezahlbar sein und vor allem auch bleiben, was sich für einkommensschwache Menschen noch schwieriger gestaltet als für Andere. Deshalb fordern wir mehr sozialen Wohnungsbau sowie das Ende der Aufhebung von Sozialbindungen.

Vergesellschaftung/Verstaatlichung

Vergesellschaftung ist ein demokratisches Instrument, welches sich aus Art. 15 des deutschen Grundgesetzes ergibt. Dieser erlaubt es, privates Eigentum in Gemeineigentum oder Gemeinwirtschaft zu überführen. Dies soll der Bedürfnisbefriedigung der Allgemeinheit dienen, und stellt somit einen Gegenpol zur freien Marktwirtschaft dar, welche der privaten Gewinnerzielung dient.

In welcher Form die Vergesellschaftung stattfindet, ist nicht vorgegeben – es wird lediglich ein Gesetz verlangt, das die Entschädigung der privaten Eigentümer*innen regelt. Diese Entschädigung folgt den Regelungen des Art. 14, Abs. 3, Satz 3 und 4, und muss somit nicht dem Marktwert entsprechen, sondern aus einer gerechten Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten erfolgen.

Eine Möglichkeit der Vergesellschaftung ist die Verstaatlichung, bei der das private Eigentum in Staatseigentum überführt wird, unter der Vorraussetzung, dem Gemeinwohl zu dienen.

Eine andere Möglichkeit, die im allgemeinen Sprachgebrauch als Abgrenzung zur Verstaatlichung verwendet wird, ist die Vergesellschaftung, die mehr Mitspracherecht für die Bürger*innen bietet: Damit sind nämlich alle Formen von Gemeinwirtschaft gemeint, die nicht den Staat als Eigentümer haben, sondern die Bürger*innen selbst. Damit ist eine echte demokratische Verwaltung des Gemeinguts garantiert, und nicht von Parteipolitik abhängig.

Oft wird Vergesellschaftung synonym oder als Sonderform der Enteignung verwendet, allerdings ist die herrschende Meinung unter Jurist*innen, dass sie ein selbständiges Rechtsinstitut darstellt, unter anderem, weil die Zielsetzung eine andere ist: Während sich die Enteignung auf einzelne Vermögensbestandteile richtet, zielt die Vergesellschaftung auf die Überführung ganzer Unternehmen oder Branchen ab.

Die Enteignung nach Art. 14 des Grundgesetzes wurde in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland bereits oft durchgeführt. Beispielsweise zur Umsetzung von  Kohlegruben, Autobahnen oder ähnlichen Großprojekten gegen den Widerstand der lokalen Bevölkerung. Demgegenüber gab es bislang keine einzige Vergesellschaftung durch den Staat. In Berlin war der Volksentscheid »Deutsche Wohnen & Co enteignen!«, welcher eine Vergesellschaftung von großen Immobilienhaien anstrebt, im Jahr 2021 erfolgreich – die Berliner*innen setzen auf eine Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR), um ihren zurückgewonnenen Wohnraum selbst verwalten zu können. Dadurch wird dringend benötigter Wohnraum nutzbar, bezahlbar, und geht über in die Hände derer, die drin wohnen, aber auch die Stadt fällt damit wieder ein Stück zurück in die Hände der Einwohner*innen.

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